Rumänien

Von SIebenbürgen bis nach Bukarest

Momente der Architektur

Eigentlich war die Reise ja für den Oktober 2020 geplant, aber wie so vieles fiel auch sie den Einschränkungen durch Corona zum Opfer. Umso mehr freuten wir uns dann auf den Neustart in diesem Jahr, der allerdings auch etwas unsicher war, denn just am Tag des Reisebeginns wurde Rumänien als Corona-Hochrisikogebiet mit Inzidenzen von über 450 eingestuft. Mit gemischten Gefühlen, aber voller Wissendurst landeten wir am ersten Tag in Sibiu, zu deutsch Hermannstadt. Überhaupt war es für uns sehr überraschend, wie „deutsch“ es in diesem gesamten Landesteil von Rumänien, in Siebenbürgen, war. Überall deutsche Architektur und Kultur, deutsche (gut besuchte) Schulen und die deutsche Sprache vielerorts im allgemeinen Umgang.
Um es vorweg zu nehmen: Ja, Siebenbürgen gehört zu Transsilvanien, aber nein, wir waren nicht auf Schloss Bran bei Graf Dracula, den wir waren schließlich keine Touristen!
Überhaupt mussten und haben wir sehr viel gelernt über ein Land und seine Menschen, das nicht nur bis 1990 hinter dem „eisernen Vorhang“ lag sondern auch danach bis zum EU-Beitritt im Jahre 2007 den meisten verschlossen blieb. Dabei erwies sich unser Landesreiseführer Apollon (der Sonnengleiche) als ausgezeichneter Kenner der Geschichte seines Landes, seiner Landschaften, seiner Menschen und seiner Besonderheiten. Wir haben ihm viel zu verdanken. Nach einer ausgiebigen Erkundung der mit historischen Bauten bis zurück ins 13. Jahrhundert bestückten Altstadt, einem mutigem Gang über die berühmte Lügenbrücke gab es einen Besuch bei Fachleuten in der „Deutschen Kirche“. Architektin und Restauratoren zeigten und erklärten uns die seit vielen Jahren laufenden aufwändigen Sanierungsarbeiten von Dachstuhl bis zur modernen Fußbodenheizung im Kirchenschiff. Am nächsten Tag ging es dann zu den Türmen der mittelalterlichen Festung in Mediasch (wo uns der Pfarrer nicht nur seine baulichen und kulturellen Schätze zeigte sondern auch zu einem leckeren landestypischen Mittagsmahl ins Pfarrhaus einlud. Der ebenfalls deutschsprechende Pfarrer Ulf Ziegler war es, der uns dann anschließend die Sanierungsarbeiten an der Kirchenburg Birthälm (UNESCO Weltkulturerbe) erläuterte. Birthälm war für fast 300 Jahre Bischofssitz der Siebenbürgen Sachsen und zählt deshalb zu den bedeutendsten Kirchenburgen Transsilvaniens. Der letzte Haltepunkt des Tages war dann der Besuch in Schäßburg, eine der wenigen noch vollständig bewohnten mittelalterlichen Burgen Europas. Am Abend Ankunft in Brasov/Kronstadt und nach der Besichtigung der Stadt waren wir erstaunt über eine hochmoderne, pulsierende Stadt, die in nichts westeuropäischen Städten nachsteht und das „Silicon Valley“ Rumäniens ist.
Absoluter Höhepunkt der Baugeschichte Transsilvaniens am nächsten Tag war sicher für alle das Schloss Peles bei Sinaia. Die nahezu märchenhafte Ausgestaltung und die Inneneinrichtung aus dem Ende des 19. Jahrhunderts zeigte die vollendete Handwerkskunst in Holz, Stein und Bronze und versetzte alle in Erstaunen. Die Bilder sprechen für sich.
Zum letzten Halt ging es dann von Transsilvanien in die Wallachei (auch so ein Begriff, den uns unser Apollon erst ausführlich erklären musste und was es damit auf sich hat) und damit in die rumänische Hauptstadt Bukarest.
Neben zahllosen Prachtbauten von Banken und Universitäten aus dem 19./20 Jahrhundert ragt mit Sicherheit der Parlamentspalast, das heutige Haus des Volkes heraus. Allein mit 33.000 m² Grundfläche, 9 Geschossen über der Erde und rd. 120 m (größtenteils noch unerforschten) Geschossen unterhalb der Erde sprengt es auch im Inneren mit unendlichen Gängen und Sälen jede Vorstellungskraft und zeugt schon von einer Art Größenwahn.
Und dieser Wahnsinn machte auch keinen Halt vor dem ehem. Wohnhaus des Diktators Nicolae Ceaușescu, wo so manchem unter uns ein flaues Gefühl ob der Lobpreisungen der jugendlichen Museumsführer über Ceaușescu und seiner Frau Elena in diesem Gebäude überkam. Für mich selbst sehr unverständlich, wie man dort diesem Stalin und Hitler gleichzusetzendem Diktator „Ehre“ erweist. Aber wir hatte ja glücklicherweise unseren Apollon, das alles wieder ins rechte Licht rückte.
Wertvoll und hochinteressant wer dagegen das letzte besuchte Gebäude in Bukarest, das Haus der Architektenunion und die Gespräche mit seinen Erbauern. Ein elegantes Mini-Hochhaus aus zwei grünlichen Glasquadern ragt aus der rot- und ockerfarbenen Ziegelfassade einer alten Villa hervor, die den Glasbau an seinem Fuß wie eine Manschette umschließt.
Der Entwurf ergab sich daraus, dass die Architekten die Reste des existierenden Hauses nicht abreißen wollten. Die Mauern sollten als Memorial für die Revolution 1989 stehen bleiben. Die Villa wurde damals angezündet, weil sie zuletzt von der Geheimpolizei benutzt worden war. Die Ruine schenkte man nach der Wende der Architektenunion.
So fand unsere Reise einen interessanten und würdigen Abschluss, eine Reise, die wohl niemand so schnell vergessen und wohl auch den einen oder anderen bewegen wird, noch einmal in dieses tolle Land zu fahren und es zu entdecken, und davon gibt es noch sehr viel.
Detlef Krause